Sommaire N°28

Février 2011

Jean-Pierre ROCHE

Avant-propos

L'Union européenne dans une mauvaise passe ?

Jean-Dominique GIULIANI

L'Europe en perpétuelle mutation

Michael STÜRMER

La troisième chance de l'Europe

VO

Kurt VOLKER

Ne donnons pas l'Europe perdante !

VO

Jean PISANI-FERRY

Zone euro : l'épreuve des crises de la périphérie

Michel AGLIETTA

Pour une gouvernance renouvelée de la zone euro

Vincent DESPORTES

L'Europe de la défense, un impératif absolu

Pierre HASSNER

Renationalisation : où va-t-on ?

Jean-Marc HUISSOUD

Les conditions de l'Europe politique

Fabienne PERALDI-LENEUF

La normalisation, alternative à la réglementation ?

Web

Daniel VERNET

Vers une Europe fédérale ?

Les nouvelles frontières du « low cost »

Emmanuel COMBE

Cinq idées reçues sur le « low cost »

Flavien NEUVY

« Low cost », le luxe des pays riches ?

Gérard MERMET

Le « low cost » à tout prix ?

Pierre DELVAL

Crime-contrefaçon : les dangers des produits « bon marché »

Olivier RAZEMON

Dans l'aérien, la réussite d'un modèle

Philippe MOATI

« Le hard discount est durablement installé dans le paysage »

PIERRE CHEMILLIER, Georges MERCADAL

Logement à bas coût : une volonté politique des années 1950-1970

Anne LACATON, Jean-Philippe VASSAL

L'économie, vecteur de libertés

Yves LAFFOUCRIÈRE

« Nous devrons diversifier nos modes de production »

Éric CLAIREFOND

Les atouts du processus industriel

Guilhem DUPUY

Industrialisation du bâtiment : quelles limites ?

Julien DAMON

Le logement « low cost » pour les plus défavorisés ?

Michael STÜRMER

est historien, correspondant en chef du groupe Welt à Berlin et professeur associé à l'École d'études internationales avancées de la Johns Hopkins University à Bologne. Jusqu'en 2003, il était professeur d'histoire contemporaine à l'université Erlangen (Nuremberg).
Dans les années 1980, il a conseillé le chancelier Kohl et, de 1988 à 1998, il a dirigé le think tank politique du gouvernement allemand, Stiftung Wissenschaft und Politik.

Partage

Europa – die dritte Chance

Nichts, so bemerkte der englische Weltweise Dr. Johnson, schärfe den Verstand so sehr wie die Vorstellung, in vierzehn Tagen gehängt zu werden. Was für das 18. Jahrhundert galt, gilt auch für das 21. Jahrhundert. Europa wird nicht durch theoretische Konstruktionen der Politiker gerettet und gestaltet werden, sondern durch Herausforderungen globaler Natur und die Antworten, die die Europäer darauf finden.

Das Zeitalter der Bipolarität ist vorbei, und so auch die vierzig Jahre amerikanischer globaler Vormacht – seit 1990 sprach man in Frankreich, staunend, warnend und übertreibend von „hyperpuissance“ - die über Europa den nuklearen Sicherheitsschirm ausspannte, genannt „extended deterrence“, die Regeln des Welthandels anmahnte und einen Geist des Optimismus verbreitete, wie er zum letzten Mal im Wahlsologan von Barak Obama anklang: „Yes we can“.

Was ist daraus geworden? Der Flug des Icarus endete in Ohnmacht und Katastrophe, der Hybris folgte, wie in der altgriechischen Tragödie, die Nemesis. Doch die Europäer sollten ,nicht einmal im Verborgenen, Schadenfreude empfinden. Denn Amerikas „imperial overstretch“ hat ernste, unausweichliche Folgen, auch und gerade für Europa. Das Zeitalter der Entscheidung ist angebrochen. In einer Welt ohne Weltordnung wird die Europäische Union zu den Führungsmächten gehören, oder Europa wird nur noch ein geographischer Begriff sein: Ein Drittes gibt es nicht. Zu viel Geschichte, zu wenig Zukunft.

Die Krise als Chance

Richtig, so lautet die instinktive Antwort, und sie kann darauf verweisen, dass die Lage ernst ist, die gemeinsame Währung zerreißen und Europa zerfallen kann. So haben es im November zuerst die deutsche Bundeskanzlerin Frau Merkel und dann der Präsident der venerablen Bundesbank Axel Weber ausgesprochen – vielleicht unweise, denn an hoher Stelle soll man mit pessimistischen Worten sparsam sein: Sie könnten sich erfüllen. Aber die Warnungen waren dennoch dem Ernst der Lage angemessen. Auch sollten sie die Begründung geben für Disziplin der Politik und Austerität des breiten, durch immer wachsende Wohltaten lange verwöhnten Publikums. Falsch aber auch. Denn es sind die großen Krisen, die Abgründe öffnen und den Ernstfall heraufbeschwören, die die Menschen aber auch zu ihren besten Leistungen führen und die, in einem Wort, die Geschichte zum Schlechteren wenden oder zum Besseren. Es sind die Zeiten der Krise, wenn sich die Dinge zu Katastrophe oder Rettung verdichten. In dieser Lage befindet sich heute Europa, genauer gesagt die Europäische Union. Gewogen und zu leicht befunden? Das biblische Wort kann durchaus das Schicksal Europas und der atlantischen Welt beschreiben, wie in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die Demokratien starben oder alle Größe, Vision und Handlungsfähigkeit verloren. Es kann aber auch, ja es muß anders sein. Wenn die Gefahr am größten, ist auch das Rettende nah – sagte Deutschlands Friedrich Schiller.

Pax Americana

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft heute leidet an sich selbst, ihrer hemmungslosen Regulierungswut, ihrer Ferne von den demokratischen Grundlagen, ihrer Gesichtslosigkeit, ihrem fragmentarischen Charakter, ihren aufschiebenden Formelkompromissen, ihren taktischen Kombinationen. Aber – und das muß Mut machen – dieser „Staatenverbund neuer Art“, wie das Bundesverfassungsgericht sich aus der Verlegenheit einer Definition zog, hat gute Gene. Die Einigung Europas entstand nicht aus einer Champagner-Laune, sondern nach einer Epoche, Sir Winston Churchill zu zitieren, von „toil and tears, sweat and blood“. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft war die konstruktive Antwort auf, einen anderen Großen jener Epoche zu zitieren, den General de Gaulle, „la guerre de trente ans de notre siècle“, der 1914 begonnen hatte und 1945 nicht endete, sondern im Kalten Krieg in einen neuen Zustand überging. Entscheidend war damals die Grand Strategy der Amerikaner, beginnend mit der Doppelkonzeption des „Containment“. Die epochenprägende Formel ging zurück auf George F. Kennan, den Diplomaten und Chefplaner im State Department, der unter dem leicht durchschaubaren nom de plume „Mr. X“ im Sommer 1947 in der Zeitschrift „Foreign Affairs“ die Grundlinien der amerikanischer Eindämmungsstrategie entwarf: Einerseits für die wirtschaftliche Rekonstruktion des westlichen Europa, andererseits für den strategischen Schutz durch die Vereinigten Staaten. Wenig indessen wäre daraus geworden, hätten nicht General George C. Marshall den nach ihm benannten Plan durchgesetzt in Kongress und Öffentlichkeit, um durch die Neue Welt die Europäer wieder unter die Lebenden zurückzurufen. Männer wie General Lucius D. Clay gehörten dazu, der 1948 gegen Stalins Blockade der Westsektoren Berlins die Luftbrücke erfand, um das westliche Berlin zu retten und Stalins Erpressung die Weltmachtkapazität der USA, eingeschlossen ihre nukleare Dimension, kaltblütig entgegenzusetzen. Am wichtigsten aber waren Präsident Harry S. Truman und Aussenminister Dean Acheson, die das westliche Europa und insbesondere das besiegte, zerstörte und geteilte Deutschland in den westlichen Verteidigungsbogen einfügten. Warum Deutschland die Schlüsselrolle hatte, lag nicht an den deutschen, schon gar nicht an ihrer geschichte, sondern an ihrer Geographie. Truman schrieb später in seinen Memoiren: „Ohne das Territorium zwischen Rhein und Elbe wäre die Verteidigung des Westens nichts als ein Nachhutgefecht auf den Stränden des Atlantischen Ozeans“. Gegen die „Soviet expansionist tendencies“ (George F. Kennan, 1947) setzten Truman und seine Leute den amerikanischen Grand Design, der aus dem Brüsseler Pakt der Westeuropäer, der noch hilflose Geste gegen die Gespenster der 30er Jahre gewesen war, den Nordatlantikpakt machte: Amerika als Garantiemacht, die über gut die Hälfte des globalen Bruttosozialprodukts verfügte, über einen unbezwingbaren can-do -spirit und, zuletzt und vor allem, die nukleare Waffe. Am Vorabend der Unterzeichnung des Nordatlantikpakts – im Weißen Haus gab es ein Arbeitsessen für die versammelten westlichen Aussenminister, kein Deutscher unter ihnen, dann die Bundesrepublik wurde gerade erst entworfen –gab es eine Lektion in Realpolitik. Die USA würden die Westeuropäer schützen gegen die gespensterhafte Vergangenheit Hitlers und die grimmige Gegenwart Stalins, aber unter einer Bedingung: Sie müssten ihre Nationalwirtschaften miteinander fusionieren und das besiegte „German Reich“, oder was davon übrig war, in den künftigen Wirtschafts- und Prosperitäts- Club aufnehmen. Frankreich erstrebte damals noch stattdessen ein parzelliertes Deutschland, Großbritannien ein sozialistisches Experimentierfeld, nicht zuletzt um den ewigen deutschen Konkurrenten dauerhaft zu schwächen: Truman schob das alles beiseite und zwang den Europäern mehr Weisheit auf, als ihnen auf den Weg aus ihren Hauptstädten mitgegeben worden war. Das Ergebnis war, strategische Antwort auf eine strategische Herausforderung, die Doppelstruktur des westlichen Dispositivs in den Zeiten des Kalten Krieges: Einerseits die Nato als Garantor der Sicherheit, andererseits die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft als Rahmen der Prosperität.

Kein Ende der Geschichte

So weit so gut. Aber nichts ist in den menschlichen Dingen für die Ewigkeit, und die Weltenwende von 1989/90 kündigte nicht nur dem russisch-sowjetischen Imperium sein Ende an, sondern bedeutete auch die Krise aller Krisen für das westliche Doppelsystem: Das Nordatlantische Bündnis und die alsbald als Europäische Union firmierende Wirtschaftsgemeinschaft der Westeuropäer waren gezwungen, einen neuen Modus, eine neue Raison d’etre, eine neue Geographie und ein neues Gleichgewicht zu finden. Die Arbeit daran hält bis heute an, zumal die Volksrepublik China ihren Anspruch auf Weltmacht und Anteil an den Reichtümern der Erde anmeldete und Container und Computer Teil und Mittel einer neuen Ära globaler Nachbarschaft, Konkurrenz und Interdependenz ankündigten. Bald war nichts mehr, wie es vordem gewesen. Der Prozess der deutschen Einheit, die 273 Tage vom Fall der Berliner Mauer bis zum Freudenfest vor dem historischen Reichstagsgebäude, waren weniger geplant als von der Weltkrise diktiert, die zehn Jahre zuvor im Mittleren Osten ihren Anfang genommen, dann auf das Sowjetimperium übergegriffen und endlich das Weltsystem des Kalten Krieges beiseitegeschoben hatte. Mehr Flucht nach vorn als planvolles Grand Design - so kann man beschreiben, was folgte. Der Prozess der deutschen Einheit beschleunigte sich von Tag zu Tag, zugleich verband er sich in den Köpfen der Staatsmänner in Bonn und Paris mit der Vorstellung, die tektonischen Bewegungen zu nutzen, um das lange vorbereitete Programm der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu verwirklichen und auf diese Weise ein neues moralisches, wirtschaftliches und politisches Gleichgewicht herzustellen: Nichts war dabei wichtiger als die künftige gemeinsame Währung, die bis dahin immer als späte „Krönung“ des europäischen Gebäudes gedacht gewesen war, nunmehr aber als Garantor der neuen europäischen Equilibriums fungieren sollte: Eine kühne, vielleicht zu kühne Idee. Denn Währungen sind nicht technokratische Festlegungen, sondern Produkt der Geschichte. Joseph Schumpeter („Vom Wesen des Geldes“) nannte sie den authentischen Ausdruck alles dessen, was ein Volk war, ist und sein will. Nirgendwo war dieser Kulturkonflikt deutlicher als zwischen Deutschland, wo die D-Mark Inbegriff der neuen Stabilität, Selbstachtung und Weltgeltung war, in der Tat eine Machtwährung der besonderen Art, und den europäischen Partnern, die ihre Währungen als Mittel des sozialen Ausgleichs, des demokratischen Stimmenkaufs, der politischen Konvenienz betrachteten. Der Widerspruch ist bis heute nicht gelöst, ja er ist Kern der Gegensätze, die gegenwärtig die gemeinsame Währung der Sechzehn Teilnehmer bedrängen und die Investoren zu immer neuen Angriffen einladen. Es wäre wahrhaft tragisch, wenn der Euro, als unauflösliches Band um Europa gedacht, zum Instrument der Spaltung würde.

Es gibt zwei Möglichkeiten. Deutschland, zusammen mit Frankreich, Benelux, Österreich und Finnland, steht die Krise durch und entwickelt die Europäische Union aus einem Staatenverbund, wie jetzt, zu einem de facto Bundesstaat, in dem die Maastrichter Verträge via „Gouvernement economique“ weit hineinwirken in Steuer-, Fiskal- und Sozialpolitik der Staaten und eine Transfer-Union nicht mehr undenkbar ist. Oder die Völker wehren sich gegen das , was sie – mehr zu Unrecht als zu Recht - als Kolonialisierung durch Brüssel, Maastricht und die Deutschen empfinden. Dann stellt sich aber auch bald die Frage, ob und inwieweit Europas wohlfahrtsstaatliche Demokratien zu innerem Gleichgewicht und Korrekturen ihres Funktionsmodus überhaupt im Stande sind. Die abschließende Beurteilung ist bisher offen. Selbstblockade der Demokratien: das wäre der Ernstfall für das Projekt Europa – es muß alles getan werden, ihn zu verhindern, lange bevor er eintritt. Das allerdings erfordert Empathie der Politik, emotionale Intelligenz, Führungskraft und Kommunikationsfähigkeiten, die bisher knapp im Angebot waren und sind.

Was auf uns zukommt

„Challenge and Response“ – so pointierte der englische Universalhistoriker Toynbee das Bewegungsgesetz der Geschichte. Das gilt auch für die EU, und die Vergangenheit ist nur Prolog. Noch auf Jahrzehnte werden die USA die erste unter den Weltmächten sein, doch bedroht von Überschuldung und Überdehnung. Asien kehrt zurück auf die Weltbühne. Das Reich der Mitte steigt auf zum Rivalen der USA. Mittelmächte wie Brasilien, Russland, die Türkei zählen mehr und mehr im Großen Spiel. Kooperative Strategien wie der Klimaschutz finden wenig Subskribenten. Non State Actors, von Al Qaida bis Wikileaks werden die Staatenwelt heimsuchen, failed states sich vermehren. Globalisierung wird weitergehen, und sie hat kein Mitleid mit den Europäern und ihren unerfüllbaren Träumen von wachsendem Wohlstand. Die Religionen werden, wie sie es seit 1979 tun, zur revolutionären Kraft.

Noch ist Europa nicht verloren. Aber die EU muß ihre alten Stärken weiter entwickeln und neue Kräfte entfalten, namentlich im Bereich Energiestrategie, militärische Sicherheit, Research and Development, Bildung und Erziehung (eingeschlossen Geisteswissenschaften und Religion und die immerwährende Frage nach dem, was an Europa europäisch ist). Die Europäer, wenn sie auch noch in kommenden Generationen Europäer bleiben wollen, müssen alles tun, der Vergreisung ihrer Gesellschaften zu wehren und gleichzeitig hinreichende Homogenität und Identität zu bewahren. Alles das wird schwierig und ist großenteils in den bisher geltenden Koordinaten nicht vorgesehen. Aber dafür gilt die alte Frage: Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht jetzt?


Bibliografie

  • Michael Stürmer, Russland. Das Land, das aus der Kälte kommt , Murmann 2008
  • Michael Stürmer, Welt ohne Weltordnung, Murmann, 2007
  • Michael Stürmer, Die Kunst des Gleichgewichts, Propyläen Verlag Berlin, 2004
  • Michael Stürmer, Das Jahrhundert der Deutschen, Bertelsmann, 1999
  • Michael Stürmer, The German Century, Orion, London, 1998
  • Michael Stürmer (and (Robert Blackwill), Allies divided. Nato Strategy in the Greater Middle East,  MIT Press, 1997
http://www.constructif.fr/bibliotheque/2011-2/la-troisieme-chance-de-l-europe.html?item_id=3069&vo=1
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